Eine der wohl schwierigsten Phasen in Novas und unserem Leben – die grosse Hüftoperation.
Nova wurde mit luxierten Hüften geboren, was ganz typisch ist für Menschen, die mit der Diagnose „Arthrogrypose“ geboren werden. Mit „luxiert“ meine ich, dass der Oberschenkelkopf kaum eine Gelenksverbindung mit dem Becken hatte und daher die gelenksbildenden Anteile des Hüftgelenks nicht ordentlich ausgebildet waren. Zusätzlich waren die Hüften in ihrem Bewegungsradius auβerordentlich eingeschränkt, was zum Beispiel bedeutete, dass sie sich nie ordentlich aufrichten, also die Hüften nicht richtig strecken konnte. Bei vielen Kindern wird die korrigierende Operation bereits mit ca. 6 Monaten durchgeführt, bei Nova haben wir uns aus verschiedenen Gründen dafür entschieden, es erst mit 18 Monaten zu machen. Das Ganze fand also im November 2014 statt.
Um die Hüftgelenke vor der OP ordentlich beurteilen zu können, wurden sie mittels Kontrast-MRT unter Vollnarkose untersucht. Man kam zu dem Schluss, dass es gut wäre, wenn Nova 2 Wochen vor dem Eingriff in einem sogenannten Streckbett verbringen würde um die Hüften maximal zu strecken und die umgebenden Strukturen zu dehnen. Das hat dann in der Realität so ausgehenen: Novas Beine wurde vollständig getaped und an der Fussohle mit einem Haken versehen. Dann wurde sie in einem Spezialbett an den Beinen aufgehängt und zwar so, dass sie mit dem Hinterteil ein oder zwei cm quasi über der Matratze schwebte. Und das möglichst 24 h/Tag, 2 Wochen lang. Zum Essen und Wickeln durfte ich sie rausnehmen, baden war nicht möglich. Das Spezielbett wurde uns nach Hause geliefert, was dann so aussah:
Zu Hause angekommen, haben wir uns 2 Wochen eingebunkert. Auf Grund des Infektionsrisikos sind wir alle zu Hause gewesen, Emil hatte frei vom Kindergarten, Linus Pflegeurlaub und ich war noch in Karenz. Fast wär uns die Decke auf den Kopf gefallen, aber Bruder Emil hat zu Nova gehalten:
Nova hat nicht ein einziges Mal geklagt oder sich beschwert, sie hat das alles mit stoischer Ruhe über sich ergehen lassen. Sie hat sich schlieβlich so daran gewöhnt, dass sie manchmal so geschlafen hat:
Nach 2 Wochen wurde sie dann operiert. Die phantastische orthopädische Chirurgin am hiesigen Kinderkrankenhaus hat in einer mehrstündigen Operation mehrere Muskeln und Weichteile durchtrennt, die Oberschenkelköpfe dorthin gelegt, wo sie hingehören und anschlieβend eingegipst.
Diesen Gips hatte Nova 6 Wochen lang und ich darf behaupten, dass dies eine Zeit des Einfallsreichtums war und „Durchhalten“ war die Devise. Abgesehen davon, dass es äuβerst schwierig war, einen gewissen Hygienestatus aufrecht zu erhalten, mussten wir auch viel improvisieren. So wurde sie z.B. im Auto transportiert:
Und so verbrachte sie ihre Tage, entweder wie am Titelbild auf einem improvisierten Sitz oder auf einem Stapel Polster, den iPad immer in Reichweite:
Auch „Büro spielen“ konnte sie trotz aller Widrigkeiten:
Nach 6 langen Wochen wurde der Gips entfernt. Nova hatte spindeldürre Beinchen, alle Muskulatur im Beckenbereich war nur mehr ansatzweise vorhanden und sie hatte wirklich grosse Schmerzen in den ersten Tagen. Die folgenden 2 Monate musste sie eine Schiene rund um die Uhr tragen:
Aber auch das hielt sie nicht davon ab, sich trotzdem am Bauch über den Boden zu ziehen und den heissgeliebten Chips nachzujagen. Immer wieder hat mich ihre gute Laune und Unbekümmertheit fasziniert:
Diese Schiene konnte ich zumindest runternehmen und Nova endlich wieder baden. Das war wirklich ein Genuss und hat ihr sichtlich gefallen.
Abschliessend musste Nova diese Schiene noch 3 Monate lang nur noch nachts tragen. Auch das war kein Problem, Nova schlief wie immer sehr gut, so, wie sie es seit ihrer Geburt getan hat. Ingesamt fast 7 Monate hat die ganze Behandlung gedauert und es hat relativ lange gedauert, bis Nova sich davon erholt hat, v.a. was die Muskelkraft und die Beweglichkeit angeht. Langfristig hat es sich aber gelohnt, denn ohne die Operation und kompetente Hilfe des Teams, allen voran die Orthopädin und die Physiotherapeutin, könnte sie heute nicht solche Dinge vollbringen:
Zu guter Letzt wäre die ganze Phase auch wesentlich schwieriger gewesen, wenn nicht auch Linus 2,5 Monate lang auf bezahltem Pflegeurlaub hätte sein können. Es hat die Situation unendlich erleichtert, da wirklich 2 Personen notwendig waren, um einen halbwegs normalen Alltag aufrecht zu erhalten. Das macht das schwedische Gesundheitssystem möglich.
Damit möchte ich die Berichte aus Novas Kleinstkinderzeit abschliessen. Wir befinden uns heute schon in einer ganz anderen Phase 😉
Hallo! Ich habe gerade deinen Blog gefunden und finde ihn ganz wunderbar. Hast du vielleicht Lust, bei meiner Interviewreihe mitzumachen? http://kaiserinnenreich.de/category/der-mutterfragebogen-special-needs-edition/ Ich würde mich sehr über eine Mail von dir freuen. Herzliche Grüße, Mareice
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Ja, natuerlich, wuerde mich sehr freuen!
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